Info Jänner 2023: "Scheinträchtig oder nicht?"

Kaninchen sind hin und wieder scheinträchtig. Aus jahrelanger Zuchterfahrung und Austausch mit anderen Züchtern können wir sagen, dass es sich nicht vollständig verhindern lässt. Auch der Grund warum es zu Scheinträchtigkeit kommt kann trotz insgesamt mehr als 10 Jahre langer Beobachtung und Erfassung nicht auf einen einzigen und nachvollziehbaren Grund zurückgeführt werden.

 

Wir haben uns trotzdem gemeinsam mit insgesamt sechs weiteren Züchtern dem Thema gewidmet und jeden möglichen Hinweis auf Scheinträchtigkeit erfasst und ausgewertet um zu einigen klaren Aussagen zu kommen. Insgesamt wurden die Daten von 12 Vereins- und Hobbyzüchtern gesammelt.

 

Die Fütterung der Tiere ist sehr identisch. So wird in allem Fällen in den Sommermonaten Wiesengrün, Heu, Getreide, Ölsaaten und Pellets gefüttert. Im Winter anstatt Wiesengrün mehr Heu, Karotten, Äpfel sowie teilweise Futterrüben, Winterkohlsorten oder Winterraps. In seltenen Phasen auch Heusilage.

 

Insgesamt wurde vom 1. Jänner 2012 bis zum 15.01.2023 eine Anzahl von 1265 Eindeckungen notiert. Eine potentielle Scheinträchtigkeit wurde notiert, wenn die Kaninchen zwischen 6. und 28. Trächtigkeitstag mit dem Nestbau, sprich dem Zusammentragen von Nistmaterial sowie dem Rupfen der Haare, begonnen haben.

 

Rund 50% der Eindeckungen entfielen auf die Rassen Große Marder blau, Großsilber gelb, Blaue Wiener, Rote Neuseeländer, Helle Großsilber, Riesenschecken, Schwarze Wiener, Widder, Kalifornier, Große Siamesen und Mecklenburger Schecken. Etwa 50% der Eindeckungen waren Kreuzungen dieser mittelgroßen bzw. großen Rassen wobei in geringem Anteil auch Burgunder, Japaner, Holländer, Kleinwidder, Kleinsilber und Zobor-Kaninchen in den Kreuzungen waren.  

1. These: "Es ist kein signifikanter Unterschied zwischen Rassekaninchen und Kreuzungen bei der Wahrscheinlichkeit von Scheinträchtigkeit."

 

Insgesamt konnte im Beobachtungszeitraum 72x das Scheinträchtigkeitsverhalten notiert werden. Das ist ein Anteil von 5,69% an allen Eindeckungen. 38x stellte es sich als Scheinträchtigkeit heraus und somit in 3% aller Eindeckungen. 34x war es lediglich ein verfrühtes Nestbauverhalten und die Häsin hat zum Wurftag ordnungsgemäß geworfen, das entspricht 2,69% aller Eindeckungen.

2. These: "3% aller Eindeckungen führten tatsächlich zu Scheinträchtigkeit."

 

Das Scheinträchtigkeitsverhalten wurde jeweils auch mit dem entsprechenden Trächtigkeitstag notiert. Eindeckungen wurden mit zwei Methoden vorgenommen. Jeweils kontrolliertes Eindecken an einem Tag. Bei Methode 1 mit 2-3 (früh, mittags, abends) vorgenommenen Deckakten. Bei Methode 2 mit kontrolliertem Deckakt und wenn dieser sichtbar erfolgreich war blieb die Häsin noch den restlichen Tag beim Rammler. Seit mehr als einem Jahr wollten wir die gemeinsamen exakten Aufzeichnungen beenden. Im Zuchtjahr 2022 waren wir auch nur noch zwei Züchter die aktiv aufgezeichnet haben. Wir wollten unsere Hobbystudie aber nicht beenden bevor wir nicht mindestens eine Aufzeichnung mit dem 20. Trächtigkeitstag haben. Dieser ist mit dem heutigen Tag erfasst.

3. These: "Bis zum 20. Trächtigkeitstag war das Verhalten zu 100% ein Zeichen der Scheinträchtigkeit."

4. These: "Ab dem 21. Trächtigkeitstag war das Verhalten zu 100% kein Indiz für Scheinträchtigkeit."

5. These: "65,7% der Scheinträchtigkeiten zeigten sich am 17. und 18. Trächtigkeitstag."

6. These: "52,9% der Nicht-Scheinträchtigkeit zeigte sich am 23. Trächtigkeitstag."

 

Wir waren anfangs überrascht, da sich relativ schnell herausstellte, dass der 18. Tag immer zur Scheinträchtigkeit führte, im Gegensatz der 22. Tag immer zum Wurftermin. Dies setzte sich auch bis zum Ende fort. Mit nur 2 Erfassungen am 19. und einer Erfassung am 20. Trächtigkeitstag ist die Aussagekräftigkeit jedoch noch mit Zweifel behaftet. Dass es keinen einzigen Tag gab, der sowohl eine Scheinträchtigkeit als auch ein Wurf zur Folge hatte, hat uns aber doch überrascht.

 

Insgesamt mussten 11 Eindeckungen mit dem Scheinträchtigkeitsverhalten beim Verhalten als auch bei der Gesamtanzahl gestrichen werden, weil es nachfolgend zu größeren Gesundheitsproblemen und in zwei Fällen leider zum Tod der Häsin vor dem Wurftermin kam. In einem weiteren Fall hatte die Häsin am 24. Tag die Haare gerupft und am 25. Tag zu früh und nicht lebensfähige Föten geworfen. In 6 Fällen baute immer dieselbe Häsin im Alter von mehr als 6 Jahren am 26. bzw. 27. Trächtigkeitstag ein völliges Nest, es kam jedoch zu keinem Wurf. Diese Häsin hatte aber auch bis zu ihrem Lebensende überhaupt nicht mehr geworfen und dürfte bereits unfruchtbar gewesen sein.

 

Wir unterteilen das Zuchtjahr auch in drei Phasen. Hauptsaison (Dezember bis März), Zwischensaison (Oktober und November sowie April und Mai) und Nebensaison (Juni bis September). Nicht alle Züchter haben von Anfang an das Deckmonat erfasst, darum ist die Aussagekraft auch nicht voll gegeben. Aber 974 Würfe sind mit Deckdatum notiert, das entspricht 77 Prozent. Die vier Hauptsaisons-Monate in der Reihenfolge Dezember, Februar, März und Jänner umfassten knapp 60% der gesamten Eindeckungen.

7. These: "In den Monaten mit vielen Eindeckungen zeigen vor allem der Dezember, aber auch der Jänner überproportional viele Scheinträchtigkeiten."

 

In den Phasen der Zwischensaison waren knapp 30% der Eindeckungen zu verzeichnen. Vor allem im April und November sowie mit größerem Abstand im Mai und Oktober waren diese Eindeckungen. Es ergab aber keine signifikante Aussage für Scheinträchtigkeiten.

 

In der Nebensaison, mit etwas mehr als 10% an Eindeckungen, führte vor allem die Hitzephase zu höheren Scheinträchtigkeiten.

8. These: "Im Sommer führte vor allem das Deckdatum Juli zu erhöhten Scheinträchtigkeiten. Insgesamt war der Juli prozentuell an den Eindeckungen der drittwahrscheinlichste Monat nach Dezember und Jänner."

 

Eine der Aussagen die man im Zusammenhang mit Scheinträchtigkeit mehrfach hört, dass sie im Frühjahr "von Natur aus" scheinträchtig werden, kann in einem Zuchtrhythmus überhaupt nicht bestätigt werden. In Haltungen ohne Zucht kann dies natürlich stimmen.

9. These: "Häufige Scheinträchtigkeit nach Eindeckungen im Frühjahr konnten keinesfalls bestätigt werden. Die Monate Februar, März und April waren im Gegenteil gemeinsam mit dem Oktober unter den vier Monaten mit den wenigsten Scheinträchtigkeiten."

 

Als sehr zielführend hat sich herausgestellt, am 2. oder 3. Tag nach der Scheinträchtigkeit die Häsin wieder zu decken. Das funktioniert perfekt.

10. These: "37 von 38 Häsinnen, also 97,3% haben sich nach der Scheinträchtigkeit perfekt decken lassen."

 

Vielleicht können wir dem ein oder anderen Züchter mit unserer "mini-wissenschaftlichen Studie" weiterhelfen. Thesen sind aber grundsätzlich auch dafür da um widerlegt zu werden. Dabei wünschen wir allen viel Spaß und Zuchterfolg!